Walter Frey in seiner Zeit

Die Geschichte Walter Freys ist zunächst einmal eine Geschichte der österreichischen Popkultur der 1950er- bis 1970er-Jahre. Die Nachkriegszeit war wesentlich geprägt von einer erzkonservativen kulturellen Atmosphäre. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren bestand Jugendmusik aus klassischem Jazz – der nach den Jahren des Verbots im Deutschen Reich von amerikanischen Soldaten nach Österreich gebracht wurde – und deutschem Schlager.

Der 1951 geborene Walter Frey war familiär von seinem katholisch-konservativen Elternhaus geprägt. Er lernte zunächst Geige, und schon bald zeigte sich seine außergewöhnliche gesangliche Begabung. Statt aber bei den Sängerknaben eingeschult zu werden, besuchte er in Wien Hietzing, einem „besseren“, traditionell bürgerlichen Bezirk Wiens ein klassisch-humanistisches Gymnasium. Gleichzeitig drangen aus Grossbritannien neue Klänge nach Mitteleuropa – die Vorzeichen einer neuen Zeit.

Die beginnende Beat Generation übte für die nach Neuem schielende Jugend eine wachsende Faszination aus. Das Bestreben, sich von alten Mustern und Vorschriften zu lösen, zog immer größere Kreise. Und natürlich wollte man auch dabeisein, mitmischen, auffallen und musikalisch bemerkt werden. Wie viele andere gründete Walter Frey mit Mitschülern schon bald seine erste Band mit dem Namen Mad  – und Walter Freys musikalische Reise begann.

Walter Freys offensichtliches Talent und sein Wille, musikalisch neue Wege zu gehen, führten zur Gründung einer österreichischen Supergroup avant la lettre, der Band Jesus h.c., die schon bald in der Wiener Szene Kultstatus erlangte.

Der musikalische Weg Walter Freys begann im Bereich der damals aufkommenden und angesagten englischen Beatmusik, führte ihn über Blues und Jazz-Rock zu balladenhaften Eigenkompositionen und schließlich zu deutschsprachigen Pop-Songs. Eine beinahe revolutionäre Entwicklung in einer musikalischen Szene, der es wichtig war, sich im Gegensatz zum kommerziellen Mainstream zu definieren.

Die Liste der Musiker mit denen er zusammenspielte, liest sich heute wie ein „Who is Who“ der österreichischen Nachkriegsmusik: Karl Ratzer, Peter Wolf, Fatty George, Roland Neuwirth, Rudi Staeger, Toni Griebaum und viele andere mehr.

Die Zeit war aber auch geprägt von den bescheidenen kommerziellen Möglichkeiten einer außerhalb der Massenkultur stehenden Musik. Plattenverträge waren nur für kommerziell vielversprechende Acts in Sichtweite. Rundfunk und Fernsehen beschränkten sich auf die damals populären Musikgenres, und Jugendfernsehen kam lediglich aus dem kaum in den Osten Österreichs reichenden Radio Luxemburg. Private Aufnahmen waren nur in bescheidener Qualität – wenn überhaupt – möglich.

Mit seinem Eintritt in die Fatty George Crew 1969 begann sich für Walter Frey auch der kommerzielle Horizont zu erweitern. Aufgrund des renommierten Jazz-Klarinettisten Fatty George interessierte sich schon bald der ORF für diese Band. Es folgte der legendär-aufregende Samstagabend Auftritt Walter Freys im Hauptabendprogramm des ORF im Zuge der Aufzeichnung der Sendereihe Dem Täter auf der Spur. Mit seinem Lied Der Rote präsentierte Walter FreyBeatmusik mit deutschsprachigem Text – eine Novität. Wie so oft in Österreich war aber die Zeit nicht reif für derartige Experimente. Die Fatty George Crew löste sich auf, und die Top-Musiker gingen unterschiedliche Wege.

Walter Frey, inzwischen mit inneren Dämonen kämpfend, versuchte in diversen Formationen, den musikalischen Anschluss nicht zu verlieren. Aber es wurde still um ihn – und er verschwand von den von ihm so begehrten Bühnen. Seine ehemaligen Mitmusiker verabschiedeten sich in eigene musikalische Sphären – oder verließen Österreich.

Während eine neue Generation in der österreichischen Musikszene Erfolge feierte, fragten sich ehemalige Wegbegleiter, was mit Walter Frey geschehen war: Hatte er Erfolg weitab von Österreich, war er gestorben?

Das tragische und zugleich banale Schicksal Walter Freys war, dass er aufgrund einer verheerenden psychischen Erkrankung das Feld räumen musste und nicht an jenem Punkt weitermachen konnte, an dem sich der Erfolg bereits angekündigt hatte. Freunde und ehemalige Weggefährten versuchten dennoch, insbesondere nach seinem Tod 2007, das Andenken an ihn zu bewahren.

Der in den Jahren 2010 – 2021 entstandene Film Walter Frey – Aud der Spur des Roten und die 2022 erschienene Audio-Compilation Walter Frey… zeugen von einem außergewöhnlichem Talent  – und davon, dass Walter Frey noch lange nicht vergessen ist.

Text: Reinhard Liegler/Harald Burger 2022